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Die Kübler-Ross-Kurve in Change-Prozessen

Aktualisiert: vor 17 Stunden

Die emotionale Ebene von Veränderungsprozessen




Sicherlich haben Sie schon von der Change-Kurve nach Kübler-Ross gehört. Eventuell vor allem in Bezug auf Trauer? Das Modell ist aber auch in puncto Change-Management und Führung in Veränderung eit Jahren etabliert.

In diesem Blogpost erfahren Sie alles, was Sie über das Veränderungsmodell im Zusammenhang mit Führung und Transformation wissen müssen. Von den verschiedenen Phasen bis zur praktischen Anwendung:



Die 7 Phasen der Veränderung



Unser Gehirn mag Dinge, die es kennt. Das ist die eigentliche Kernherausforderung, mit der sich Change-Manager immer wieder konfrontiert sehen. Denn Menschen wollen keine Veränderungen, weil unsere Hirne sie nicht wollen. Change bedeutet, es müssen neue Regeln gefunden werden, neue Richtlinien, neue Aktionen und Reaktionen und das wiederum bedeutet, unser Gehirn muss Energie aufwenden; etwas, das es unter allen Umständen vermeiden möchte. Nachhaltig vielleicht, aber leider nicht besonders erfolgversprechend.


Veränderungen sind notwendig, um individuell, aber vor allem auch als Unternehmen langfristig erfolgreich zu bleiben. Das hat zur Folge, dass wir mit – teils starken, teils weniger starken – Gefühlen reagieren, wenn ein solcher Umbruch ansteht. Wenn beispielsweise eine nahestehende Person stirbt – Kübler-Ross' Gebiet als Psychiaterin war die Sterbeforschung – aber auch, wenn wir uns nur von einer gewohnten Unternehmensstruktur verabschieden müssen.


In den 1960er-Jahren identifizierte die schweizerisch-amerikanische Psychaterin Elisatbeth Kübler-Ross fünf Phasen der Trauer, die Menschen, die kurz vor dem Tod stehen, aber auch ihre Angehörigen, in der Regel durchlaufen:

                    

  • Nicht-wahrhaben-wollen

  • Zorn

  • Verhandeln

  • Depression

  • Akzeptanz

                

Diese Phasen wurden später von Richard K. Streich als Grundlage genommen und für die Anwendung in der Wirtschaft angepasst und erweitert, sodass wir heute von sieben Phasen der Change-Kurve reden:

                    

  • Schock: Eine plötzliche Veränderung ist immer lähmend. Je nach Ausmaß macht sie uns nur etwas steif oder aber lässt uns komplett erstarren. Sorgen und Ängste ziehen ihre Schlinge zu, das Gedankenkarussell rast dafür umso schneller. 

  • Ablehnung: Um uns vermeintlich in Sicherheit zu wähnen, lehnen wir Menschen Veränderungen erst einmal ab. Wir flüchten uns in das, was wir kennen und versuchen, das Neue so gut es geht zu ignorieren. Jeder, der schon einmal eine Software-Umstellung im Unternehmen mitgemacht hat, weiß, wovon ich rede. Da wird manchmal bis zum letzten Tag mit der alten EDV gearbeitet, statt sich mit dem neuen System vertraut zu machen. 

  • Frustration / rationale Akzeptanz: Irgendwann muss man einsehen, dass man die Veränderung nicht weg-ignorieren kann. Stattdessen verstehen wir rational, dass sie kommen wird, vielleicht sogar nicht ganz schrecklich ist, aber richtig annehmen können wir den Change noch nicht. Frustration ist die Folge. 

  • Emotionale Akzeptanz: Der Tiefpunkt ist überstanden, die Kurve steigt. Man konnte sich mit der Situation auseinandersetzen und findet auch Gutes daran. 

  • Ausprobieren: Neugier kommt auf – und sie hat Motivation im Gepäck. Das neue System und seine Grenzen werden vorsichtig ausgetestet und wir suchen unsere Rolle in der veränderten (Arbeits-)Umgebung. 

  • Neuorientierung: Die Begeisterung für das neue System wächst. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bringen sich gerne und häufig ein und ziehen wieder an einem Strang. 

  • Integration: Der Change ist vollbracht (obwohl wir natürlich auch wissen: Nach dem Change ist vor dem Change). Aber für dieses Teilstück darf gefeiert werden, denn das neue Tool oder System wurde erfolgreich implementiert und wird von der Belegschaft gut angenommen. 

Die Phasen der Kübler-Ross Change Kurve
Die Kübler-Ross Kurve: Wie wir emotional durch Veränderungsprozesse gehen.


Rezeption und Kritik


Die Veränderungskurve ist ein nützliches Modell für Führungskräfte, die in einem Change-Prozess stecken oder diesen anstreben. Insbesondere weil sie die Emotionen in den Vordergrund stellt und hier einen ganz klaren Fokus setzt. Sie bietet Orientierung und zeigt Ihnen als Führungskraft auf, in welcher Phase sich Ihr Projekt gerade befindet. Je nachdem, welche Gefühle und Verhaltensweisen Sie von Ihren Mitarbeitern gespiegelt bekommen.


Allerdings ist die Change-Kurve natürlich kein "one-size-fits-all"-Modell. Auch wenn man sagen kann, dass die meisten Menschen nach diesem Schema agieren, sind Reaktionen auf Veränderungen immer individuell. Wie lange eine Person in einer Phase verweilt, lässt sich vorher nicht genau sagen. Ebenso kann es sein, dass Menschen komplette Phasen überspringen oder auch in eine Phase zurückfallen, die sie eigentlich bereits durchlebt hatten.

Individuelle Kommunikation geht auch hier vor starrem „In-ein-Schema-pressen“.


Ein weiterer Punkt, der im Zusammenhang mit dem Kübler-Ross-Modell immer wieder angesprochen und auch kritisiert wird: Der Change-Kurve fehlt es an wissenschaftlich belegbaren Beweisen – auch in Bezug auf ihre Anwendung in der Wirtschaft. Kübler-Ross hat ihre Erkenntnisse auf Interviews gestützt, die sie mit Sterbenden geführt hat. Das ist nicht nur ein ganz anderes Feld, es macht auch durchaus erst einmal einen eher negativen Eindruck. Das moderne Change-Management und auch ich als Agile Coach fokussieren hingegen lieber auf die positiven Elemente, die aus ständiger und stetiger Veränderung erwachsen.

 


Bedeutung der Change Kurve im Kontext Führung


Wie kann die Veränderungskurve Sie als Führungskraft trotzdem unterstützen? Sie können aus den verschiedenen Phasen Tipps ableiten, um Ihre Mitarbeiter in Veränderungsprozessen optimal an die Hand zu nehmen. (Ein weiteres gutes Modell, das Ihren Veränderungsprozess zum Erfolg führt, ist übrigens das Change-Modell nach Kotter.)

                    

  1. Frühzeitige und transparente Kommunikation: Je früher und umfassender Sie Ihre Mitarbeiter über bevorstehende Veränderungen informieren, desto besser. So beugen Sie dem Flurfunk vor und verhindern, dass die Kaffee- zur Gerüchteküche wird. Die „Schock“-Phase wird abgeschwächt. 

  2. Glaubwürdigkeit: Eventuell lässt die Produktivität in den ersten Change-Phasen nach. Das ist aber kein Grund, das ganze Vorhaben direkt abzubrechen. Zeigen Sie stattdessen, dass Sie hinter der Veränderung stehen und kommunizieren Sie die positiven Aspekte, die Sie sich von dem Projekt versprechen. 

  3. Emotionen ernstnehmen: Wedeln Sie die Bedenken und Ängste Ihrer Mitarbeiterinnen nicht einfach hinfort, sondern bieten Sie eine Plattform – auch für negative Emotionen. 

  4. Beteiligung fördern und fordern: Beziehen Sie Ihr Team aktiv in den Veränderungsprozess mit ein, beispielsweise wenn es um Ziele und Visionen geht. Das befeuert Motivation und Engagement. 

  5. Zeit und Raum geben: Das Gras wächst nicht schneller, wenn Sie daran ziehen. Change-Prozesse brauchen Zeit, bei großen Vorhaben bis zu 24 Monate. Statt überstürzt auf Fortschritt zu drängen, geben Sie Ihren Mitarbeitern Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen. 

  6. Perspektiven aufzeigen: Stellen Sie immer wieder die positive Welt heraus, die am Ende des Projekts wartet. 

  7. Fürsprecher unterstützen: Sie werden nie alle Mitarbeiter für ein Projekt begeistern. Circa 10 Prozent werden sich verschließen, egal, was Sie tun. Dafür gibt es am anderen Ende des Spektrums aber auch diejenigen, die das Vorhaben begeistert unterstützen. Konzentrieren Sie sich auf diese Personen, statt alle Energie auf die Gegner zu verwenden. 


 

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Fallbeispiel aus der Praxis


Wie kann die Kübler-Ross-Change-Kurve in einem konkreten Anwendungsfall aussehen? Hier ein Beispiel, das ich oben bereits erwähnt habe – die Einführung einer neuen Software im Unternehmen:


Schock: Nachdem die Geschäftsleitung die Einführung einer neuen Software ankündigt, reagieren einige Mitarbeiter schockiert oder überrascht. Fragen wie „Warum ändert sich das? Wir haben das doch schon immer so gemacht und es lief alles ganz gut?“ werden immer lauter.

Maßnahme: Transparente Kommunikation der Gründe für den Wechsel und der Vorteile der neuen Software.

 

Ablehnung: Mitarbeitende lehnen die Änderung ab und argumentieren, dass die alte Software ausreichend sei. Sie versuchen, die Einführung zu ignorieren oder verzögern die Auseinandersetzung damit. Angebotene Schulungen bleiben leer.

Maßnahme:Regelmäßige Informationsveranstaltungen, um die Vorteile und Notwendigkeit der neuen Software zu verdeutlichen.

 

Frustration: Es treten emotionale Reaktionen wie Frust, Angst oder Ärger auf. Manche äußern: „Ich werde damit nie klarkommen. Komplett aussichtslos.“

Maßnahme: Schulungen und individuelle Unterstützung, um die Kompetenz der Mitarbeitenden zu stärken, sowie ein offenes Ohr für Sorgen bieten.

 

Emotionale Akzeptanz: Das Team erkennt langsam, dass die Änderung unvermeidlich ist. Erste Versuche mit der neuen Software erfolgen, oft noch unsicher und langsam.

Maßnahme: Erfolge und Fortschritte sichtbar machen und feiern, positives Feedback geben.

 

Ausprobieren und Neuorientierung: Die neue Software wird zunehmend genutzt. Mitarbeitende entwickeln Routinen und Vertrauen.

Maßnahme: Erfolgsgeschichten teilen, die Effizienzsteigerungen aufzeigen, und Fortbildungen zur Optimierung anbieten.

 

Integration: Die Software ist vollständig in den Arbeitsalltag integriert, und die Mitarbeiterinnen nutzen sie produktiv.

Maßnahme: Weiterentwicklungsmöglichkeiten aufzeigen und langfristige Unterstützung sichern.

  


Fazit


Obwohl die Veränderungskurve häufig kritisiert wird, und das in Teilen natürlich auch vollkommen zurecht, finde ich sie sehr nützlich, um sich der Emotionen im Team bewusst zu werden. Gerade wenn Change-Vorhaben ins Stocken geraten. Bevor Sie ein Projekt für tot erklären oder in der schwierigen ersten und zweiten Phase die Flinte ins Korn werfen, lohnt sich ein Blick auf den emotionalen Kontext. Sicher ist, schaden wird es Ihrem Vorhaben nicht. 


In Ihrem Unternehmen steht ein Change-Prozess an? Ich stehe Ihnen gerne zur Seite!






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